Steve Paxton: über die Kraft von Mixed-Abled-Dance
CONTACT IMPROVISATION stellt eine offene Form der Improvisation vor, die allen Menschen die Möglichkeit eröffnet, Tanz zu praktizieren.
Dabei entwickeln die jeweiligen Duett-Partner ihre Bewegungs-Elemente auf Basis ihrer gemeinsamen tänzerischen/ körperlichen Möglichkeiten.
Alito Alessi griff diese Grundidee auf und versuchte, sie auch für Menschen mit Behinderungen zu etablieren, und zwar jeder Art von Behinderung –
und es funktionierte großartig!
Wir konnte nicht nur sehen, dass sich grundsätzlich jeder Mensch tänzerisch auszudrücken vermag, sondern entdeckten auch, dass die zuvor so
offensichtlich erscheinenden Unterschiede durchlässiger wurden, um schlussendlich ganz zu verschwinden.
Das Trennende zwischen behinderten und nichtbehinderten Teilnehmer*innen wurde langsam unsichtbar, während sie miteinander tanzten.
Wenn ich mich in unserer Welt umsehe, stelle ich fest, dass diese Projektionen des Trennenden nahezu überall anzutreffen sind: In der Sprache,
unseren Bildungssystemen, der Wirtschaft und den Regierungen. Das Trennende wurde zur vorherrschenden An-schauung und somit nach und nach
zur vorherrschenden inneren Einstellung. Kinder wachsen mit ihr auf, übernehmen sie und tragen sie in ihre Lebensgestaltung hinein.
Diese Trennungsprojektionen schweben wie eine „giftige Wolke“, um die simple Tatsache unserer Unzulänglichkeiten.
Giftig? Wie würde es sich für Dich anfühlen, wenn Du aus einem Grund den Du nicht ändern kannst, ausgegrenzt und in eine Randgruppe abgeschoben wirst?
Wolke? Schwer greifbar, immer im Schatten der gesellschaftlichen Wertesysteme.
Mixed-Abled-Dance hat die Kraft diese Wolke zu lüften. Mit der Kunst des Tanzes, der Kunst des Körpers. Du beginnst mit den Gegebenheiten
deines Körpers – den Grundlagen jeder BODY/MIND Arbeit – und langsam und sanft zeigt sich im Tanz mit dem Partner, der Partnerin, der gemeinsame
Boden auf dem ihr steht, liegt, tanzt. Die Einmaligkeit dieses Augenblicks, herbeigeführt, hervorgebracht, ja geschaffen durch die Einzigartigkeit eurer
Begegnung, setzt Vertrauen voraus – Vertrauen auf das Verbindende. Hier ist das genaue Gegenteil dessen gefordert, was sonst unhinterfragt als
ausgemachte Sache gilt – ein Weg des Vertrauens, des Verbindens, ist ein Weg des Heilens. Das Heilen all jener Trennungen, die überall fix vorinstalliert
zu sein scheinen – in unseren Gesellschaften, unseren Gedanken und unseren Herzen. Mixed-Abled-Dance ist eine Form des Heilens – nicht um Menschen
mit Behinderungen zu heilen, sondern um alle, mit und ohne Behinderung, gemeinsam zu heilen. Bei diesem Tanz wird für kurze Zeit die Struktur des
„Getrenntseins“ aufgelöst, und das Spaltende unseres Denkens verliert seine Macht über uns. Genau dann sind unsere Herzen bereit, sich von der
kreativen Kraft eines Partners, einer Partnerin anstecken zu lassen. TRY IT. YOU WILL BE MOVED.
Steve Paxton,
Mad Brook Farm,
VT - 04 16 2011
übersetzt von Guido Reimitz
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